Zu zweit geht alles leichter – das Mehrgenerationenhaus Weinheim bietet geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Kooperation mit dem Arbeitskreis Asyl seit 2008 eine individuelle Lernbegleitung. Ein Blick auf ein Praxisbeispiel, das stellvertretend für das freiwillige Engagement der rund 530 Mehrgenerationenhäuser stehen kann.
Sie helfen bei den Hausaufgaben, bereiten Prüfungen vor, können das deutsche Schulsystem erklären und geben im Schulalltag das nötige Selbstvertrauen. Im Projekt „Individuelle Lernbegleiter*innen“ des Mehrgenerationenhauses Weinheim engagieren sich zurzeit 23 Lernbegleiterinnen und -begleiter für 34 Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung. Für viele von ihnen ist diese Erfahrung der erste Schritt ins freiwillige Engagement. Sie erleben, dass sie selbst etwas für Andere bewirken können, machen Erfahrungen mit anderen Kulturen. So, wie Abiturientin Jenny, die sich als Lernbegleiterin engagiert.
Projekt als Start ins freiwillige Engagement
Durch einen Aushang in ihrer Schule wurde Jenny auf die „Individuellen Lernbegleiter*innen“ aufmerksam. Zwar stehe die Lernförderung im Vordergrund, aber es sei auch spannend, etwas über das Leben im Irak, dem Herkunftsland ihrer Patin, zu erfahren. „Ihrer“ Schülerin möchte sie vor allem Vertrauen mitgeben. „Durch das Projekt habe ich gelernt, dass nicht nur die schulischen Leistungen etwas über den Menschen aussagen. Oft benötigen die geflüchteten Schülerinnen und Schüler jemanden, der ihnen bestärkend zur Seite steht“, so Jenny.
Im Alltag Orte der Begegnungen schaffen
Lena Loge koordiniert den Bereich Mehrgenerationenhaus seit 2020. Auf die Frage, was das Projekt besonders mache, fallen der Koordinatorin viele Punkte ein: „Es ist eines der ersten Projekte, bei denen ich sehen konnte, was die Arbeit eines Mehrgenerationenhauses eigentlich ausmacht. Dass es darum geht, Orte für Begegnungen zu schaffen, die im Alltag nicht automatisch stattfinden. Dass es um Kooperationen geht. Dass wir junge freiwillig Engagierte einbinden“, erzählt Loge. „Es geht nicht nur um ein Miteinander von Generationen, sondern auch das Zusammenspiel von Menschen mit unterschiedlichen Biographien“.
Dafür gehen die freiwillig Engagierten raus in die Stadt, in die Familien und in Sammelunterkünfte – eben dort, wo sie gebraucht werden. Lilli Leuthner, Projektkoordinatorin beim AK Asyl, begleitet sie dabei. Sie sieht im Konzept einen besonderen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit zwischen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Herkunft. „Es sind die kleinen Schritte, die zu einem großen Ganzen führen – durch Zuverlässigkeit, viel Geduld und Respekt vor anderen Kulturen“, sagt Leuthner.
Schritt für Schritt die eigenen Ziele erreichen
Odai besucht die zweite Klasse einer Grundschule. Ursprünglich kommt er aus Syrien. An seiner Lernbegleiterin schätzt er besonders, dass er dadurch schneller mit den Hausaufgaben fertig ist. „Dann lese ich meine Aufgaben gerne in der Schule vor.“ Alisar, die aus dem Irak kommt und in die achte Klasse geht, sieht die Schule in Deutschland als Chance und hofft, dass das noch mehr Kinder und Jugendliche bemerken. Für ihre Zukunft hat sie ein klares Ziel vor Augen: „Ich möchte Erzieherin werden und in Deutschland bleiben.“ Die Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, Schritt für Schritt ihre Ziele zu erreichen – dafür kann das Projekt einen wichtigen Grundstein legen.
Erfolgsfaktor Kooperation
Mit dem Projekt greift das Haus den Schwerpunkt „Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte“ des Bundesprogramms Mehrgenerationenhaus auf. Auch in der neuen Programmphase ab 2021 bleibt dieses Engagement ein wichtiges Handlungsfeld. In Weinheim sind die „Individuellen Lernbegleiter*innen“ inzwischen fest in der Kommune verankert. Damit das so bleibt, geht Lilli Leuthner regelmäßig in die Schulen, sucht den Kontakt zu Eltern und Lehrkräften und ist jederzeit für die Schülerinnen und Schüler da. Für ihren Einsatz erhalten die Lernbegleiterinnen und -begleiter eine Aufwandsentschädigung, die über das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus finanziert wird. Was die Schülerinnen und Schüler für sich erreichen, lässt sich mit Geld jedoch nicht bezahlen