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Bildung kennt kein Alter: Lebenslang neugierig bleiben

Im Gespräch mit Prof. Dr. Claudia Kulmus: „Lernen braucht Raum, Resonanz und Relevanz“

Wie gelingt lebenslanges Lernen – besonders im höheren Erwachsenenalter? Jun.-Prof. Dr. Claudia Kulmus beschäftigt sich an der Universität Hamburg mit Fragen rund um Bildung im späteren Leben.

Warum ist lebenslanges Lernen so wichtig – gerade auch im Alter?

Lernen ist eine grundlegende menschliche Fähigkeit – und sie bleibt uns bis ins hohe Alter erhalten. Auch wenn sich die Art des Lernens verändert, hören Menschen nicht auf, sich weiterzuentwickeln. Lebenslanges Lernen ist deshalb wichtig, weil das Leben nicht statisch ist. Es gibt immer wieder Veränderungen – beruflich, familiär, gesundheitlich oder gesellschaftlich. Lernen hilft, mit diesen Veränderungen umzugehen, neue Wege zu finden und aktiv teilzuhaben. Gerade im Alter eröffnen sich noch einmal neue Perspektiven und Herausforderungen – und damit auch neue Lernanlässe.

Wie gelingt lebenslanges Lernen? Und was macht Mehrgenerationenhäuser dafür besonders geeignet?

Lernen kann man nicht einfach „machen“ – auch wir als Pädagoginnen und Pädagogen nicht. Es ist immer eine persönliche Entscheidung, die davon abhängt, ob jemand für sich gute Gründe zum Lernen sieht. Unsere Aufgabe ist es, attraktive, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, die unterschiedliche Interessen und Lebenslagen berücksichtigen. Mehrgenerationenhäuser leisten hier einen wertvollen Beitrag: Sie bieten Raum für Begegnung, Austausch und gemeinsames Tun. Gerade dieses Miteinander kann Lernprozesse anstoßen – oft informell, aber nicht weniger bedeutsam.

Wie kann gemeinsames Lernen den sozialen Zusammenhalt zwischen Generationen stärken?

Gemeinsames Lernen schafft Verständnis – besonders dann, wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen aufeinandertreffen. In Mehrgenerationenhäusern können solche Begegnungen ganz selbstverständlich entstehen. Wenn man sich in einem Projekt engagiert, gemeinsam etwas plant oder ein Thema diskutiert, entsteht Raum für Perspektivwechsel. Das fördert Empathie und die Bereitschaft, sich mit anderen Lebensrealitäten auseinanderzusetzen. Lernen wird so auch zu einer Form des gelebten gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Demokratie muss gelernt und gelebt werden – wie gelingt das, besonders im Austausch zwischen Generationen?

Demokratie ist nicht nur ein politisches System, sondern auch eine soziale Praxis. Sie lebt davon, dass Menschen ihre Interessen vertreten, dabei aber auch andere Perspektiven anerkennen. In einem Mehrgenerationenkontext kann das sehr konkret erlebbar werden – etwa, wenn unterschiedliche Bedürfnisse oder Vorstellungen gemeinsam ausgehandelt werden. Der Austausch zwischen Generationen schafft die Möglichkeit, voneinander zu lernen – etwa über politische Erfahrungen, Werte oder Engagement. So entstehen Verständigung und gemeinsames Handeln.

Gibt es Unterschiede in den Bildungsinteressen verschiedener Generationen?

Ja, die gibt es – und sie spiegeln oft auch gesellschaftliche Entwicklungen. Ältere Generationen hatten in ihrer Biografie häufig weniger Bildungschancen. Für viele steht daher das Nachholen im Vordergrund – nicht nur formell, sondern auch im Sinne von Selbstverwirklichung. Jüngere Ruheständlerinnen und Ruheständler bringen wiederum andere Voraussetzungen mit – mehr Bildungserfahrung, ein stärkeres Bewusstsein für Gesundheit oder gesellschaftliches Engagement. Bildungsinteressen entstehen aus Lebenslagen – und die verändern sich mit jeder Generation.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) für das Lernen in der Erwachsenenbildung?

Künstliche Intelligenz verändert zweifellos den Zugang zu Wissen. Lernen bleibt dennoch ein aktiver Prozess, der Reflexion, Einordnung und kritische Auseinandersetzung erfordert. KI kann dabei unterstützen, etwa durch personalisierte Lernangebote oder neue Formate. Gleichzeitig müssen wir sensibel sein für Fragen der Qualität und des Umgangs mit Informationen. In unserem Arbeitsbereich gibt es zum Beispiel ein Projekt zur KI in der Pflegeberatung – das zeigt, wie wichtig es ist, digitale Entwicklungen verantwortungsvoll zu begleiten.

Welche Rolle spielen Mehrgenerationenhäuser für lebenslanges Lernen – und was können andere Einrichtungen von ihnen lernen?

Mehrgenerationenhäuser sind Orte, an denen Bildung ganz selbstverständlich mit Alltag und Begegnung verbunden wird. Sie zeigen, wie Lernen informell, praxisnah und generationenübergreifend gestaltet werden kann. In der Erwachsenenbildung diskutieren wir seit Längerem über Lernräume und sozialräumliche Ansätze – Mehrgenerationenhäuser setzen das bereits ganz konkret um. Auch andere Einrichtungen, etwa Volkshochschulen, profitieren davon, wenn sie stärker kooperieren und sich für neue Zielgruppen und Partnerschaften öffnen, ohne ihr pädagogisches Profil aufzugeben. An einigen Stellen gibt es diese Kooperationen auch bereits.

Zur Person

Claudia Kulmus ist Juniorprofessorin für Erwachsenenbildung am Fachbereich Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Bildung in der zweiten Lebenshälfte, Lernen und Weiterbildungsbeteiligung, professionelles Handeln in der Erwachsenenbildung sowie Literalität im Alter.