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Demografiefest in die Zukunft

Besser leben im Kiez

Eine Chance für Greifswald – Mehrgenerationenhaus und Kommune gestalten den demografischen Wandel

Das Mehrgenerationenhaus Kiel.

Im Kieler Stadtteil Gaarden setzen sich die Landeshauptstadt Kiel und das Mehrgenerationenhaus in einer Genossenschaft für die Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort ein. Warum dieses Konzept so erfolgreich ist und wie das Mehrgenerationenhaus Menschen aller Altersgruppen erreicht, berichten Astrid Witte, die Leiterin des Kieler Amtes für Familie und Soziales sowie die Leiterin des Mehrgenerationenhauses Ulrike Pirwitz.

Eine 97-jährige Dame übt mit Dreijährigen Bauchtanz, Menschen aus über 20 Ländern treffen sich zu einem interkulturellen „Kaffeeklatsch", junge Mütter lernen für ihren Schulabschluss, während ihre Kinder von sogenannten Leihomas und -opas betreut werden – und das alles unter einem Dach. Was nach einer Wunschvorstellung von einem lebendigen Miteinander aller Generationen klingt, wird im Mehrgenerationenhaus im Kieler Stadtteil Gaarden längst gelebt. Das Mehrgenerationenhaus ist als Begegnungs- und Beratungszentrum am Vinetaplatz eine echte Institution im Kiez. „Wir sind offen für alle und werden dafür geschätzt. Zu uns kommen Menschen aus allen Altersgruppen, viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund", sagt Ulrike Pirwitz, die Leiterin des Mehrgenerationenhauses.

Für viele Einwohnerinnern und Einwohner des von sozialen und wirtschaftlichen Problemen geprägten Stadtteils ist die Einrichtung ein Ort, an dem sie Beratung und Unterstützung finden: Knapp 30 Prozent beziehen Arbeitslosengeld II, der Anteil der Alleinerziehenden liegt mit rund acht Prozent an zweithöchster Stelle im Kieler Stadtgebiet, 25 Prozent der Menschen haben einen Migrationshintergrund. Die Angebote und Dienstleistungen des Mehrgenerationenhauses sind auf die spezielle Situation vor Ort ausgerichtet. „Wir bieten unter anderem Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose, haben zwei festangestellte Erzieherinnen und Erzieher, die sich um die Kinder sehr junger Mütter kümmern, und in unserem Offenen Treff ist immer eine Sozialpädagogin, die kostenlose Beratungen anbietet", berichtet Hausleiterin Ulrike Pirwitz.

Dass sich die Einrichtung so fest in Gaarden verankern konnte, findet auch bei der Landeshauptstadt Kiel große Anerkennung. „Es freut uns sehr, dass das Mehrgenerationenhaus so großen Zuspruch erfährt", sagt Astrid Witte, Leiterin des Kieler Amts für Familie und Soziales. Der Schlüssel zum Erfolg liegt für sie vor allem in den niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten zu den Angeboten. „Die Unverbindlichkeit des ersten Besuchs ist ein wichtiger Faktor. Jeder kann dort einfach hingehen und sich informieren. Das trifft den Zeitgeist", so Witte.

Eine Stadtteilgenossenschaft bündelt die Hilfsangebote im Kiez

Ein weiteres Merkmal, das die Entwicklung des Mehrgenerationenhauses bis heute prägt, ist seine besondere Trägerkonstellation. Die Einrichtung wird von der Stadtteilgenossenschaft Gaarden eG getragen. „Mit dem Wissen, dass ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur bundesweiten Etablierung von Mehrgenerationenhäusern ausgeschrieben war, hat sich die Landeshauptstadt Kiel 2006 mit allen interessierten Trägern zusammengesetzt und überlegt, wo in Kiel ein Mehrgenerationenhaus eingerichtet werden könnte, und wie es inhaltlich aufgebaut werden soll", berichtet Ulrike Pirwitz. 2007 beschlossen schließlich einige Träger, eine Genossenschaft zu gründen, um ein solches Mehrgenerationenhaus in gemeinsamer Verantwortung zu betreiben. Die neu gebildete Stadtteilgenossenschaft Gaarden eG bewarb sich dann erfolgreich um die Förderung im Rahmen des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser I des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und startete Anfang 2012 in das auf drei Jahre angelegte Aktionsprogramm II. Die Mitglieder der Genossenschaft sind so verschieden wie die Besucherinnen und Besucher des Mehrgenerationenhauses – von der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein über die Volkshochschule Kiel und dem Allgemeinen Sozialdienst bis hin zur Landeshauptstadt Kiel selbst. „Die Stadtteilgenossenschaft bündelt die zahlreichen Akteurinnen und Akteure im Kiez. Dass die Kommune Mitglied der Genossenschaft ist, unterstreicht, welche wichtige Rolle sie dem Mehrgenerationenhaus zuweist", sagt Ulrike Pirwitz. Astrid Witte sieht in der Zusammensetzung auch einen strategischen Vorteil. „Der multiprofessionelle Ansatz, den die Stadtteilgenossenschaft verfolgt, ist sehr wichtig für solche Projekte. Das ist ein gutes Beispiel für Netzwerkarbeit", erklärt sie. Darunter versteht die Stadt auch, dass sich die Stadtteilgenossenschaft mit weiteren sozialen Trägern in Gaarden abstimmt und das Angebotsspektrum des Mehrgenerationenhauses durch Kooperationen mit Nicht-Genossenschaftsmitgliedern erweitert. Genau das tut sie auch in zahlreichen Netzwerken. „Die Stadtteilgenossenschaft engagiert sich zum Beispiel in den regelmäßig stattfindenden Stadtteilkonferenzen, sitzt mit am Runden Tisch von Gaarden und bringt sich bei den Planungen des Soziale-Stadt-Büros ein. So können Synergieeffekte genutzt werden", erläutert Astrid Witte.

Bildungsprojekte von jungen Müttern für junge Mütter

Initiativen für neue Angebote kommen im Mehrgenerationenhaus regelmäßig auch von den Besucherinnen und Besuchern. Ein Projekt, auf das alle besonders stolz sind, heißt „Kurze Wege". „2009 hatten acht junge Mütter die Idee, eine Bildungsmaßnahme im Mehrgenerationenhaus umzusetzen. Sie wollten ihren Haupttschulabschluss nachholen, weil ihnen klar war, dass sie ihre Lebenssituation und die ihrer Kinder nur dadurch verbessern können", erläutert Hausleiterin Pirwitz. Das Schulkonzept erarbeiteten die Frauen zusammen mit Ulrike Pirwitz und ihren Kolleginnen und Kollegen. Unterstützung erhielten sie dabei vom Jobcenter, das die Stadtteilgenossenschaft als Kooperationspartner für das Mehrgenerationenhaus-Projekt gewinnen konnte. „Die Lehrkräfte kamen aus unseren Mitgliedsorganisationen. Der Großteil wurde von der Volkshochschule entsendet", berichtet Pirwitz. Um die Betreuung der Kinder kümmerten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Mehrgenerationenhauses. Diese umfassende Hilfestellung zahlte sich aus: „Nach sechs Monaten Unterricht hatten alle Frauen ihren Hauptschulabschluss in der Tasche. Zwei waren so motiviert, dass sie später auch die Mittlere Reife erlangt haben", so Ulrike Pirwitz. Der Erfolg spornte die Partner an, das Projekt weiterzuführen. Inzwischen wird es zum dritten Mal umgesetzt.

Vorbild Mehrgenerationenhaus

Die Landeshauptstadt Kiel und die Stadtteilgenossenschaft bauen auch in Zukunft aufeinander. „Wir möchten unsere Beratungs- und Freizeitangebote im Mehrgenerationenhaus erweitern. Dafür werden wir unsere Kooperationen und Netzwerke ausbauen", erläutert Ulrike Pirwitz.  Dabei dürfte auch die Vorbildwirkung eine wichtige Rolle spielen, die die Kommune dem Mehrgenerationenhaus zugewiesen hat. „Begegnungs- und Beratungsmöglichkeiten mit einem generationenübergreifenden Ansatz werden sich zukünftig auch in anderen Stadtteilen entwickeln", so Astrid Witte.