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Wie Mehrgenerationenhäuser Angebote umsetzen: Neues aus den Häusern

Unterwegs, damit jede Familie es packt: Die Nachbarschaftsmütter aus Hohenhorst

17 Nachbarschaftsmütter aus 8 Ländern, die 16 Sprachen sprechen, sind in Hamburg-Hohenhorst unterwegs, um Familien im Stadtteil zu unterstützen und damit den Zusammenhalt vor Ort zu stärken.

Auf dem Foto stehen sechs Frauen unterschiedlicher Herkunft nebeneinander und lächeln.

Im Hamburger Stadtteil Hohenhorst kümmern sich die sogenannten Nachbarschaftsmütter um Familien in ihrer Nachbarschaft, die Unterstützung brauchen. Aktuell sind 17 Frauen mit Migrationsgeschichten aus acht verschiedenen Herkunftsländern für die Familien aktiv. Ihre Zentrale ist das Hamburger Mehrgenerationenhaus „Haus am See“.
 

Die Nachbarschaftsmütter sind Brückenbauerinnen zwischen Familien mit Flucht- oder Migrationsgeschichte und dem Stadtteil. Sie sind in zwei Grundschulen mit Sprechstunden sowie in Elternabenden präsent und besuchen die Unterkunft für Geflüchtete im Stadtteil. Auch viele Kooperationspartner und die Schulen bringen Familien mit den Nachbarschaftsmüttern zusammen. „Die Frauen haben alle selbst eine Migrationsgeschichte und sie müssen selbst Familie und Kinder haben – das ist Voraussetzung, um Nachbarschaftsmutter zu werden“, erklärt Yukiko Takagi-Possel, die Projektkoordinatorin der Nachbarschaftsmütter Hohenhorst. „Außerdem sollten die Frauen sich gut im Stadtteil auskennen und lange genug in Deutschland sein, um die Strukturen zu kennen“, ergänzt der Koordinator des Mehrgenerationenhauses „Haus am See“, Torsten Höhnke. Wichtig ist außerdem, dass die Mütter gut Deutsch sprechen. „Die Frauen brauchen mindestens Deutschkenntnisse auf B1-Niveau. Unsere Teamsprache ist auch Deutsch“, ergänzt Takagi-Possel.

 

Wie wird man Nachbarschaftsmutter?

Am 1. September 2013 startete das Projekt mit der ersten dreimonatigen Schulung und entließ im Frühjahr die ersten Nachbarschaftsmütter in den aktiven Dienst. Die Projektkoordinatorin, Yukiko Takagi-Possel, berichtet: „Mittlerweile wurden schon drei Jahrgänge ausgebildet und etwa die Hälfte der Frauen, die sich momentan engagieren, ist von Anfang an dabei gewesen.“ Die Schulungen richten sich an Mütter und Väter mit Migrationsgeschichte. Sie finden jährlich statt und es melden sich immer 10 bis 15 Frauen an. „Im letzten Jahr wurde das Projekt auch für Männer geöffnet, allerdings haben wir bislang leider noch keinen Nachbarschaftsvater in Hohenhorst“, erzählt Torsten Höhnke. Während der Schulungen beschäftigen sich die Mütter mit ihrer zukünftigen Rolle als Nachbarschaftsmutter und den notwendigen Abgrenzungen. Sie lernen etwas über Kommunikation, Gesundheit, Erziehung in der Familie und im deutschen Erziehungs- und Bildungssystem. „Ein wichtiger Punkt ist auch die Stadtteilerkundung“, ergänzt Torsten Höhnke, „da die Frauen sich hier auskennen müssen.“ Am Ende des Kurses steht die Überreichung des Zertifikats an, das bisher immer von der Schirmherrin des Projekts, Aydan Özoğuz, verliehen wurde.

Die Nachbarschaftsmütter erhalten aber nicht nur eine Schulung, sondern ihr freiwilliges Engagement wird dauerhaft begleitet. „Es gibt eine wöchentliche Teamsitzung, an der alle Frauen teilnehmen“, berichtet Yukiko Takagi-Possel. „Hier werden konkrete Fälle besprochen, da die Frauen es oft mit schwierigen Konstellationen zu tun haben. Außerdem werden Themen fachlich aufgegriffen, die sich aus den Fällen ergeben.“ Zusätzlich zu dieser Supervision können die Nachbarschaftsmütter auch Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen wahrnehmen.
 

Wie wirken die Nachbarschaftsmütter?

Die Nachbarschaftsmütter treffen ihre Familien in den Grundschulen, auf Nachbarschaftsfesten, im Mehrgenerationenhaus oder sie werden über einen der vielen Kooperationspartner zusammengebracht. „Es ist sehr unterschiedlich, wie die Frauen mit den Familien in Kontakt kommen“, berichtet die Projektleiterin. „Manche gehen direkt auf andere Mütter zu, bei denen sie den Eindruck haben, dass sie unterstützen können. Andere sind zurückhaltender und lassen die Mütter mit Bedarf auf sie zukommen. Es ist also für jeden Typ jemand dabei.“
Die Grundschulen sind von dem Projekt begeistert und empfinden die Nachbarschaftsmütter als Bereicherung für das Quartier“, so Torsten Höhnke. „Und die vielen Kooperationen sprechen ja auch dafür, dass das Projekt im Stadtteil sehr gut ankommt.“

Die Wirkung bezieht sich aber nicht nur auf die Familien, die die Unterstützung der Nachbarschaftsmütter in Anspruch nehmen, sondern auch auf die engagierten Frauen selbst. „Die Frauen kommen ja selbst oft aus schwierigen Familienkonstellationen“, sagt Takagi-Possel. Einige von ihnen sind im Projekt gelandet, nachdem sie unsere Sozialberatung aufgesucht hatten. Man konnte bei den Frauen deutlich das Potenzial erkennen, das sie zu Brückenbauerinnen macht. Durch die Schulung und ihre Aufgabe werden den Frauen auch neue Perspektiven eröffnet. „Drei der Frauen haben sogar eine Ausbildung als Erzieherin begonnen. Es war vorher gar nicht absehbar, wie sehr die Aufgabe die Frauen verändert“, erzählt die Projektkoordinatorin weiter. „Die Gruppe besteht ja aus Frauen, die zwar etwas gemeinsam, aber eben auch sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben. Hier herrscht ein außerordentlicher Zusammenhalt, der die Frauen aus der Isolation holt, in der sie sich vorher teilweise befunden haben.“ Eine der Frauen habe dies sehr prägnant ausgedrückt, berichtet Yukiko Takagi-Possel und zitiert die Nachbarschaftsmutter: „Vorher habe ich mich wie in einem Käfig gefühlt. Die Tür vom Käfig war auf, aber ich wusste nicht wo ich hinfliegen sollte: Mittlerweile ist es anders und ich habe mehrere Ziele.“

Dass sich durch die Arbeit auch die Sprachkenntnisse und das Selbstbewusstsein verbessern, versteht sich fast von selbst. „Eine der Mütter hat gesagt, dass sie vorher nur eine Bewohnerin des Stadtteils war und jetzt zu einer kleinen Institution geworden ist“, berichtet Takagi-Possel.
„Und nicht nur die Familien und die Frauen, sondern auch unser Mehrgenerationenhaus profitiert von dem Projekt“, ergänzt Torsten Höhnke. „Die Frauen tanzen hier, bringen Essen mit und wir erleben alle mit, wie sie sich entwickeln und engagieren, wie sie wachsen, Freude an ihrer Arbeit haben – das ist toll und steckt an.“