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Wie Mehrgenerationenhäuser Angebote umsetzen: Neues aus den Häusern

„Der Hund ist definitiv ein Türöffner“

Im Mehrgenerationenhaus Wetzlar finden Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen in „Lesehund“ Maxima eine geduldige Zuhörerin. Die Therapiehündin ist dabei Türöffner und Anziehungspunkt zugleich.

José Ruijgers und Hündin Maxima
© MGH Wetzlar

Maxima stellt keine Fragen, kein Satz ist ihr zu krumm, keine Pause zu lang. Die hellbraun gelockte Golden-Retriever-Dame hört einfach zu – und das beruhigt Kinder und Erwachsene, die sich im Lesen und Schreiben noch üben müssen. Seit April 2020 arbeitet die Koordinatorin des Wetzlarer Mehrgenerationenhauses José Ruijgers mit ihrer Hündin im Projekt „Lesehunde“. Alle Menschen, egal welchen Alters, können die kostenlose Hilfe des Therapiehundes nutzen. Die Treffen finden meistens einmal pro Woche statt, dabei wird dem Hund etwa 20 Minuten lang vorgelesen. Koordinatorin Ruijgers achtet darauf, dass es der Hündin dabei gut geht.

„Lesehündin“ Maxima hat immer ein offenes Ohr

Meistens bringen die Teilnehmenden ihre eigenen Texte mit oder sie nutzen Bücher aus der kleinen Bibliothek im Lerncafé. Zum Vorlesen machen sie es sich mit Maxima oft auf dem Sofa gemütlich. Währenddessen gibt José Ruijgers nur kleine Impulse. Die Aufmerksamkeit liegt ganz auf dem Hund. Er ist geduldig und bewertet keine Fehler. Der Hund hört gerne zu und findet alles interessant, solange er ein wenig gestreichelt wird. Und darin liegt der Zauber dieses Angebotes: „Die Menschen entspannen sich so sehr, dass das Lesen einfach besser klappt“, sagt Ruijgers. „Im Alltag müssen Personen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, oft viele Hürden meistern. Beispielsweise bei Behördengängen oder wenn sie nicht verstehen, was im Mietvertrag steht.“ Hier können sie einfach in Ruhe üben.

Durch Zufall wurde die Koordinatorin auf den Münchner „Lesehund Verein“ aufmerksam. Inspiriert durch dessen Arbeit entschied sie sich, ein ähnliches Projekt im Mehrgenerationenhaus anzubieten. Es ergänzt die Arbeit des Lerncafés, das sich ebenfalls an Menschen richtet, die nicht gut lesen und schreiben können. Und auch dort hat Maxima ein festes Plätzchen neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefunden und  bietet den Gästen im Café ein offenes Ohr. „Der Hund ist definitiv ein Türöffner“, meint José Ruijgers. „Er hat keine Schranken im Kopf und ist völlig vorurteilsfrei und freundlich zu jedem.“

Mehr Resonanz durch lokale Kooperationen

Doch eine Frage bleibt: Wie spricht man eine Zielgruppe, die nicht gut lesen kann, erstmals an und erreicht, dass sie ins Mehrgenerationenhaus kommt? Das sei im Moment tatsächlich noch eine Herausforderung, sagt Ruijgers. Viel laufe über Mundpropaganda, da Informationen über Flyer und ähnliches bei der Zielgruppe oft kaum ankämen. Um mit den Menschen noch verständlicher kommunizieren zu können, hat sich die Koordinatorin in Leichter Sprache weiterbilden lassen. Seit Kurzem bietet sie außerdem in der Stadtbibliothek Wetzlar eine regelmäßige Sprechstunde mit Lesehündin Maxima an. Das erzeuge in jedem Fall mehr Aufmerksamkeit. „Wenn ich mit Maxima dort reingehe, gucken viele Menschen erstmal irritiert“, sagt Ruijgers, „Wenn sie dann aber ‚Lesehund‘ auf dem Halsband lesen, werden sie neugierig.“ Durch Kooperationen wie diese hofft Ruijgers, das Angebot bekannter zu machen und mehr Menschen zu helfen. Sie ist überzeugt: „Wenn wir uns vor Ort zusammentun, können wir viele positive Effekte erzielen.“

Hinter der Geschichte

Geringe Literalität ist noch immer ein Tabu. Dabei sind in Deutschland 6,2 Millionen Menschen und damit 12,1 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren davon betroffen. Sie können zwar oft einzelne Sätze lesen und schreiben, haben aber Schwierigkeiten, zusammenhängende Texte zu erfassen. Das Mehrgenerationenhaus Wetzlar ist eines von 171 Mehrgenerationenhäusern, die im Sonderschwerpunkt „Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen“ aktiv sind, um betroffene Menschen zu unterstützen. Hier geht es zur Website des Mehrgenerationenhauses Wetzlar.

Mehr zu den Angeboten der Mehrgenerationenhäuser zur Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen – auch in einfacher Sprache – unter: www.mehrgenerationenhaeuser.de/lsr