Keine Heimat.Nirgends. - Eine interkulturelle und generationenübergreifende Schreibwerkstatt
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Schlagworte:
Bildung, Einsamkeit, Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen, Freiwilliges Engagement, Freizeitgestaltung, Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, Offener Treff, Selbstbestimmtes Leben im Alter
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Demografietyp:
3 Kleine und mittlere Gemeinden mit moderater Alterung und Schrumpfung
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Siedlungstyp:
Ländlicher Raum
30 nach dem Mauerfall auf Spurensuche mit Jung und Alt zum Thema "Heimat"
In diesem Projekt gingen wir auf Spurensuche mit Jung und Alt und brachten damit oft sozial benachteiligte Menschen zusammen. Dabei interessierten uns die Fragen: Was und wo ist Heimat und woran denken die verschiedenen Generationen, wenn sie den Begriff „Mauer“ hören. Eine Mauer kann schützen, kann ausgrenzen, bedrohlich sein oder neugierig machen. Heimat wiederum kann dort gefunden werden, wo man sich Zuhause fühlt. Wo der Boden, den man in die Hände nimmt, um Saaten auszubringen, vertraut ist. Obwohl einem meist kein Quadratmeter des Bodens gehört. Heimat kann aber auch sein, was man sich leisten kann. Heimat ist dort, wo man dieselbe Sprache spricht. Sprache, Lachen, Kunst, Spielen, Lieben sind Menschen wesenseigen, sie verbinden, vor, zurück, seitwärts, sie lassen Erkenntnisgewinn erst zu. In Gnoien wurde dokumentarisch in kleinen Filmen Menschen aus der Region nach ihren Erfahrungen, Meinungen und Erlebnissen zum Thema Mauer und Heimat befragt. Parallel dazu wurden in einer „Schreibstube“ Texte verfasst. Im Projekt wurde der verloren gegangenen Begriff "Heimat" in der Sprache, im sprachlichen Austausch entdeckt. Schreiben als Möglichkeit wieder heimatliche Wurzeln zu bilden. Wir näherten uns dem Begreifen von Heimat über die Sprache, über das Schreiben. Verschiedene Methoden legten in jedem Einzelnen Zugrundeliegendes frei. Das Projekt war ein niederschwelliges und trotzdem anspruchsvolles Angebot. Dabei konnten Menschen aus der Isolation geholt werden.
Einbindung der Querschnittsaufgaben
Das Projekt lebte von der Divergenz der Ansichten der Teilnehmenden zu den Themen „Mauer“ und "Heimat", sei es auf Grund der räumlichen oder der sozialen Herkunft. Der Spaß am Entdecken von Sprache, der eigenen Geschichte und Möglichkeiten stand dabei im Vordergrund. Interessant war auch der Austausch der Generationen, der verschiedenen Lebenssituationen, die sich natürlich in den Texten nieder schlugen. Das war lebendige Geschichts- und ganz konkrete Sozialraumarbeit. Es wurden Menschen aus der Isolation, in die sie aus verschiedenen Gründen geraten sind, geholt. Mauern wurden zwischen Menschengruppen aus unterschiedlichen Sozialräumen eingerissen, ob nun Langzeitarbeitslose, sozial benachteiligte Senioren und Seniorinnen oder Menschen mit Fluchtgeschichte. Das brisante und aktuelle Thema eignete sich besonders gut dazu, diese Menschen zusammen zu bringen. Es wurden 20 ältere und jüngere Teilnehmer/innen unmittelbar aktiv und 300 mittelbar, da die erzählten Geschichten, die aufgeschriebenen Texte, die kleinen Filme auf die Bühne und ins Generationen-Kino des MGH kamen und kommen. Anschließende Diskussionen tragen auch dazu bei. Somit war die Zielgruppe des Projekts: interessierte Bürger der Stadt Gnoien und des Umlandes, Menschen jeden Alters, insbesondere aber Angehörige sozial benachteiligter Gruppen, die im besonderen Maße vom gesellschaftlichen Ausschluss, von Isolation bedroht bzw. betroffen sind.
Wirkung
Das Projekt lief sehr erfolgreich. Schnell hatte sich in der Schreibwerkstatt eine stabile Gruppe von 11 Interessierten etabliert, darunter zwei Seniorinnen, drei Langzeitarbeitslose, zwei Schülerinnen und ein Mann mit Fluchtgeschichte. Eine buntgemischte Gruppe, die sich mittels verschiedener Schreibübungen an die gesellschaftlich brisanten und relevanten Themen „Heimat“ und „Mauer“ herantastete. Dabei entstanden viele interessante Texte, ob nun per Hand, auf alten Schreibmaschinen oder am PC geschrieben. Gemeinsam wurde eine Auswahl für das Buch getroffen. Beim Schreiben wurde viel diskutiert und persönliche Situationen flossen mit ein. Eine andere kleine Gruppe filmte Interviews mit Bürgern der Stadt Gnoien zu obigem Thema. Das Ergebnis wurde vor vielen Menschen zur Kulturnacht gezeigt. Buchpremiere mit szenischer Lesung wird am 25. Januar sein. Ein erstes druckfrisches Exemplar wurde zum Neujahrsempfang dem Bundespräsidenten, Herrn Frank-Walter Steinmeier, als Geschenk überreicht.
Erfahrungsbericht
Gesellschaftlich relevante Themen liegen sozusagen in der Luft. Mit freiwilligem Engagement können Menschen aus unterschiedlichsten Sozialräumen zusammengebracht werden und gemeinsam kreativ sein. JEDER hat etwas zu sagen, JEDER kann tatsächlich schreiben, wenn er dazu ermutigt wird. Der Austausch wird umso intensiver, wenn die Divergenz der Teilnehmenden kreativ genutzt wird. Über das Ergebnis waren wir alle letztlich selbst erstaunt. Es ist ein richtiges Buch geworden, was noch dazu professionell gestaltet wurde. Überrascht haben uns ganz besonders die eindrucksvollen Zeichnungen von Saoud Farman, der aus Syrien geflüchtet ist.
Kontaktdaten
cultura mobile e.V.
Teterower Straße 22, 17179 Gnoien
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039971 / 30776
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info@kulturboerse-gnoien.de