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Experteninterview mit Kai Abraham vom Mehrgenerationenhaus Marburg

„Die intensive Begleitung Ehrenamtlicher ist eine Investition, die sich lohnt!“ – Experteninterview mit Kai Abraham vom Mehrgenerationenhaus Marburg

Foto von Kai Abraham

Kai Abraham ist Koordinator des Mehrgenerationenhauses im hessischen Marburg und koordiniert dort die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen sowie Freiberuflerinnen und Freiberuflern, die im Mehrgenerationenhaus aktiv sind.

Herr Abraham, Sie koordinieren in Marburg das Engagement vieler Ehrenamtlicher, die sich teilweise schon lange bei Ihnen engagieren. Wie gelingt es Ihnen, die Engagierten langfristig an das Mehrgenerationenhaus zu binden und die Aktiven gut zu betreuen?


Zunächst muss ich sagen, dass bei uns zwei Grundtypen von Ehrenamtlichen aktiv sind. Wir haben auf der einen Seite Menschen, die das Mehrgenerationenhaus als Raum und Plattform nutzen, um ehrenamtlich Angebote zu machen. Diese Ehrenamtlichen verstehen sich und ihre Angebote – hier handelt es sich oft um kleinere Projekte, Vereine oder Treffen von Selbsthilfegruppen – nicht zwangsläufig als Teil des Mehrgenerationenhauses.

Die zweite Gruppe, die ich als „unsere Ehrenamtlichen“ bezeichne, ist in ihrem Selbstverständnis in hohem Maß mit dem Mehrgenerationenhaus identifiziert. Sie sind Teil des Hauses und empfinden sich in vielerlei Hinsicht als gleichberechtigt mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Viele von ihnen sind schon lange dabei. Sie betreuen das Familiencafé, bieten Kinderbetreuung während unserer Angebote oder auch mal zu Veranstaltungen in der Stadt an oder sind als Wellcome-Engel im Projekt Frühe Hilfen tätig. Besonders unsere Wellcome-Engel, die junge Familien im ersten Jahr mit ihrem Kind begleiten, sind sehr eigenständig tätig, da sie ja alleine in den Familien sind. Hier ist es wichtig, dass sie jederzeit im Mehrgenerationenhaus eine Anlaufstelle haben und die Möglichkeit finden, sich mit den anderen auszutauschen.

Das bedeutet ja für Sie und Ihre hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen, dass Sie dauerhaft und am besten rund um die Uhr für Ihre Ehrenamtlichen erreichbar sein müssen. Wie gehen Sie damit um und wie organisieren Sie die Zusammenarbeit?


Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Man muss sich im Haus immer die Zeit nehmen, wenn jemand von unseren Ehrenamtlichen Gesprächsbedarf hat – egal wie viel wir ansonsten zu tun haben. Einige Kolleginnen und Kollegen haben auch schon mal zu Hause Anrufe aus ihrem Ehrenamtsteam bekommen. Hier muss man immer wieder eine gute Balance zwischen Grenzziehung und Ansprechbarkeit finden, damit nicht am Ende die Hauptamtlichen ausbrennen.

Man muss in der Zusammenarbeit natürlich auch immer wieder Konflikte lösen. Freiwillig Engagierte sind oft mit sehr viel Energie dabei und sind sozusagen „Lokomotiven“, die aber auch mal andere mit ihren Ideen und ihrer Energie überrollen. Wir müssen dabei immer wieder steuern und vermitteln, damit das Gefüge in den Teams stabil bleibt.

Wie schaffen Sie es, die Balance in den Teams auch bei einer so durchmischten Gruppe von Haupt- und Ehrenamtlichen zu halten?


Ein erster und wichtiger Schritt liegt darin, dass wir mit allen Menschen, die sich bei uns im Haus engagieren möchten, ein Kennenlerngespräch führen. Jede und jeder unserer Ehrenamtlichen hat ein solches Gespräch, bevor die Arbeit beginnt. Wir haben dafür auch einen Leitfaden entwickelt, der allen hilft, die Motivationen, Erwartungen und Wünsche an das Ehrenamt vorab zu klären. Außerdem gibt es eine Einarbeitungszeit, die begleitet wird und die den Engagierten hilft, zu sehen, ob die Arbeit ihnen Spaß macht und ob sie sich genau in diesem Team weiter engagieren möchten. Nach dieser Probezeit gibt es ein Feedbackgespräch und wir können mit den Engagierten gemeinsam sehen, wie ihr Engagement im Mehrgenerationenhaus am besten und zur Zufriedenheit aller gestaltet werden kann. Wenn die Zusammenarbeit dann beginnt, schließen wir eine Vereinbarung, in der wir uns als Haus verpflichten, dass alle Ehrenamtlichen durch eine oder einen Hauptamtlichen betreut werden. Dies geschieht zum Beispiel in regelmäßigen Teamsitzungen, durch Supervision oder gemeinsame Teamveranstaltungen. Was natürlich auch immer wieder zu einer guten Atmosphäre im Team beiträgt sind gemeinsame Feiern, Unternehmungen und auch kleine Rituale, die unsere Wertschätzung gegenüber den Ehrenamtlichen ausdrücken. Das sind zum Beispiel Geburtstagskarten, eine Einladung des Teams zum Essen oder ein kleiner Ausflug.

Gibt es Tipps zur Koordination und Begleitung von Engagierten, die Sie besonders wichtig finden?


Für uns ist es vor allem wichtig, dass wir dicht an den Ehrenamtlichen dran sind. Dass wir mitbekommen, wie es den Engagierten geht und was sie brauchen. Diese Form der Betreuung kostet sicher viel Zeit und auch Geld, aber es lohnt sich meiner Erfahrung nach in die Begleitung der Engagierten zu investieren, da man so zu einer langfristigen und für alle positiven Zusammenarbeit kommt. Dazu gehört für uns auch, dass wir im Team Standards und Leitfäden entwickelt haben, um so konstant ein angemessenes Niveau an Betreuung sicher zu stellen. Wir bieten außerdem, oft gemeinsam mit der Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf, regelmäßig Fortbildungen an, in denen es auch um die Themen Resilienz und Selbstsorge geht. Haupt- und Ehrenamtliche können an diesen Fortbildungen kostenlos oder zu einem sehr geringen Beitrag teilnehmen und diese Angebote werden auch gut genutzt. Wenn es nötig ist, können wir außerdem kurzfristig bspw. eine Supervision oder andere Formen einer Begleitung organisieren.